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Projektnummer | 6037007 |
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Projekttitel laut Förderbescheid | Übersetzen und Dolmetschen im 2. Weltkrieg unter Berücksichtigung des Deutschen, Polnischen und Tschechischen – Mehrsprachigkeit im historischen Kontext |
Akronym | Dolmetschen |
Projektlaufzeit | 01.04.2011 - 31.12.2011 |
Forschungsschwerpunkt | Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft |
Zuordnung | |
Kompetenzfeld | Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft |
Grundeinheit | Fakultät Wirtschaftswissenschaften und -ingenieurwesen |
Das Projekt leistete einen Beitrag zur Erforschung des Übersetzens und der Übersetzertätigkeiten während des 2. Weltkrieges. Untersucht wurden Übersetzungsphänomene und translatorische Textsorten dieser Zeit (z.B. öffentliche Bekanntmachungen oder Arbeitsbücher).
Für den bohemistischen Teil lassen sich folgende ergebnisbezogene Tendenzen aufzeigen:
Grundlegende Projektinhalte waren die Untersuchung der Sprachenpolitik als Instrument der Besatzungsherrschaft im Protektorat Böhmen und Mähren unter dem Aspekt der Zweisprachigkeit einerseits und die Erforschung der schriftlichen und mündlichen Übersetzungstätigkeit im Protektorat andererseits.
Im ersten Projektteil wurden zunächst Originaldokumente im Prager Nationalarchiv gesichtet und ausgewertet. Chronologisch zeigen diese eine immer restriktiver und dominanter werdende Sprachenpolitik. Aufgrund des Umfangs des in Prag aus fünfjähriger Besatzungszeit der Nationalsozialisten erhaltenen Materials (sowie seiner Streuung) konnte nur eine eng begrenzte Auswahl in Betracht gezogen werden – Akteninhalte zur sog. „Sprachenfrage“ aus der Anfangszeit der Besatzung (März 1939 bis Juni 1940). Die größte Schwierigkeit bestand hier darin, diese Dokumente bei ihrer Auswertung objektiv in die seit mehr als 60 Jahren zusammengetragenen Ergebnisse der Geschichtswissenschaft einzuordnen, und der durch Leichtfertigkeiten schnell entstehenden Gefahr des „historischen Revisionismus“ zu entgehen. Eine Auseinandersetzung mit diesem Archivmaterial erschien jedoch für das Verständnis der Übersetzungstätigkeit in diesem historischen Rahmen grundlegend.
Eine zeitaufwändige Herausforderung war die Transkription eines auf Tonband aufgezeichneten Interviews (Oliver Rymon) mit einem Zeitzeugen, der seinerzeit als Dolmetscher – als sog. „Lagerverbindungsmann“ im NS-Sprachgebrauch – in einem Lager für Zwangsarbeiter tätig war. Das Interview selbst war gleichfalls eine schwierige Aufgabe, da im Gedächtnis des Zeitzeugen verständlicherweise sehr persönliche Erlebnisse und schwierige emotionale Erinnerungen vorherrschend sind, und die eigentliche Dolmetschertätigkeit hier nur eine untergeordnete Rolle spielte. Gleichwohl lieferte es interessante Einblicke in die spezielle Übersetzertätigkeit.
Für den polnischen Teil wurden einerseits offizielle Briefe aus dem Gebiet Schlesien untersucht, wobei der Sprachenfrage nachzuspüren war. Insgesamt wurden 16 Briefe und ein Zeitungsartikel analysiert, die in dem Zeitraum von 9.12.1939 bis zum 31.10.1941 verfasst wurden. Andererseits wurden zweisprachige Anordnungstexte bewertet.
Wenn man behördliche Briefe nach Ermert untersucht, ist es wahrscheinlich, dass die Briefe typische Merkmale der offiziellen Briefen/Schreiben aufweisen. Briefe gehören hierbei zur schriftlichen Kommunikation und betreffen das Thema: Gebrauch/Verbot der polnischen Sprache, Klagen über ihren Gebrauch, das Thema Eindeutschung, Deutschkurse und Dolmetscherwesen und Übersetzertätigkeit. In den Briefen können auch zahlreiche Sätze Darstellungs-, Wertung- und Aufforderungsintentionen erfüllen, in denen der aktuelle Zustand dargestellt oder die Meinung zum Problem/Thema geäußert wird. Ferner wird z.B. auch auffordernd beschrieben, wie man den Gebrauch der polnischen Sprache beispielsweise auf der Straße oder innerhalb der Arbeitsplätze verbieten kann.
Die Briefe beinhalten typische Merkmale nationalsozialistischer Ideologie, in der es keine Toleranz für andere Menschen, Kulturen, Sprachen und Traditionen gibt. Die Menschen, die sich der polnischen Sprache bedient haben, wurden oft als würdelos betrachtet. Dieses Verhalten von Polen oder Volksdeutschen wurde als ein großes Problem diskutiert. Die Briefe beinhalten viele Aufforderungen wie: „Ich habe verpflichtet“, Ich bitte mir darüber zu berichten“, „ich verbiete den Gebrauch der polnischen Sprache“. Die Polen hatten keine Wahl; sie waren gezwungen entsprechend den gerichtlichen Vorschriften Deutsch zu sprechen. Die deutsche Sprache sollte vor allem unter den Kindern in den Kindergärten oder Schulen verbreitet werden. Die anderen Mittel waren Deutschkurse oder periodisch erscheinende Schriften.
In den Briefen werden auch die Übersetzer und die Dolmetschertätigkeiten im 2. Weltkrieg erwähnt. Weil die polnische Sprache bei den Beamten verboten war und im Fall, dass die polnischen Bürger die deutsche Sprache nicht beherrschten, durften diese Personen einen geeigneten Dolmetscher mitbringen. Die Dolmetscher, Übersetzer und Sprachmittler haben von offizieller Seite innerhalb der Sprachenpolitik besondere vertrauliche Aufgaben erfüllt. Für diese Stellen sollten nur Personen ausgewählt werden, deren politische Zuverlässigkeit vormals überprüft wurde.
Die zweisprachigen Übersetzungstexte wiesen wenige stilistische sowie grammatische Fehler auf. Meistens handelte es sich um Verordnungen, die warnenden oder anweisenden Charakter hatten. Auf der lexikalischen Ebene waren die Verordnungen problemlos übersetzt, obwohl die Texte über zahlreiche juristische Wendungen sowie Kollokationen verfügten. Die Übersetzer hatten vermutlich auch ein juristisches Wissen, so dass die Fachbegriffe keine Probleme auf dem Weg zur Wiedergabe der Texte waren. Ein besonderes Merkmal in den analysierten Texten war die Groß- oder Kleinschreibung von Nationalitäten. Während in der deutschen Sprache alle Substantive und dadurch auch Nationalitäten großgeschrieben werden, werden in der polnischen Sprache heutzutage Nationalitäten großgeschrieben, wobei die Bürger der bestimmten Städte immer kleingeschrieben werden. Beispiel: Warschauer-warszawiak.
Der Publikationsbeitrag der Bohemistik umfasst derzeit etwa 60 Seiten; der der Polonistik ca. 50 Seiten. In eine nun in Angriff zu nehmende Anthologie wird ferner noch ein dritter Teil zum deutschen und englischen Wortschatz in Militärwörterbüchern (1943, 1957) aufgenommen, der aus einer von mir betreuten Diplomarbeit stammt. Ich werde hierbei als Herausgeber fungieren.
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