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Religionssensible Integrationskultur in Ostsachsen

Allgemeine Informationen

Projektnummer 61707008
Projekttitel laut Förderbescheid Religionssensible Integrationskultur in Ostsachsen - Erkundung, Erprobung, Gestaltung
Akronym Religionssensible Integrationskultur 2018
Projektlaufzeit 01.07.2018 - 31.12.2018
Forschungsschwerpunkt Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft
Projektkategorie Transfer
Zuordnung
Kompetenzfeld Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft
Wissenschaftliche Brückenfunktion nach Polen, Tschechien und die Staaten Mittel- und Osteuropas
Grundeinheit Institut für Transformation, Wohnen und soziale Raumentwicklung
Projektwebseite https://trawos.hszg.de/projekte-publikationen/abgeschlossene-projekte/religionssensible-integrationskultur

Inhaltliche Projektbeschreibung

Projekt

Religionssensible Integrationskultur in Ostsachsen

- Erkundung, Erprobung, Gestaltung -

 

Problemlagen

Ostsachsen steht vor erheblichen sozial-integrativen Herausforderungen. Sowohl die problematischen wirtschaftlichen Entwicklungschancen (Stichworte Braunkohleabbau und –verstromung, Weggang/Schließung von regional bedeutsamen Großunternehmen wie Siemens), das damit zusammenhängende Risiko anhaltender Bevölkerungsschrumpfung insbesondere im ländlichen Raum wie auch die erhebliche Migration aus Ostmitteleuropa und dem globalen Süden haben in den letzten fünf Jahren nicht nur zu Enttäuschung und Kritik an den politischen Parteien und der Regierung geführt. Vielmehr schlugen sich die wahrgenommenen Zurücksetzungen, Ungerechtigkeiten und Ängste im Aufstieg von PEGIDA, in der wachsenden Unterstützung rechtspopulistischer Parteien (wie der AfD) und Ablehnung demokratischer Institutionen, in Konflikten mit Geflüchteten und anderen Zuwanderern, ja in Gewalthandeln gegenüber Erstaufnahmeeinrichtungen und selbst gegenüber Fluchtmigrant*innen nieder.

Wir gehen, erstens, davon aus, dass sich ein beachtlicher Teil der Ängste vor Fremdem und Fremden und damit die Reserviertheiten, wenn nicht Ablehnungen von Migration aus der Unkenntnis und Unerfahrenheit gegenüber den Kulturen der Migrant*innen speist, wobei die religiösen Orientierungen und Praktiken eine herausragende Rolle spielen. Das gilt nicht nur für den Islam und seine Verbreitung bei den Fluchtmigrant*innen der letzten drei Jahre, sondern auch für Zuwanderer aus der östlichen EU bzw. Osteuropas (vor allem Polen, Tschechen, Rumänen, Russen usw.). Deren Glauben, Glaubensintensität wie Gemeindeleben repräsentiert für viele Ostdeutsche angesichts der über vierzigjährigen Säkularisierungs- und (teilweise aggressiven) Repressionspolitik gegenüber Religionen und Kirchen (1945-1989) ein gravierendes Fremdheitserlebnis und damit eine gravierende Hürde für gelingende Sozialintegration vor Ort.

Wie tief diese religiös vermittelten kulturellen Differenzen zwischen der überwältigenden Mehrheit der ostdeutschen/ostsächsischen Bevölkerung und migrantischen Bevölkerungsgruppen aus dem Süden und Osten, aber auch – und nicht zuletzt – zwischen osteuropäischen Einwanderern und den muslimischen Migrant*innen reichen, kann nicht nur neueren religionssoziologischen Untersuchungen entnommen werden (vgl. Hainz et al. 2014; Halm/Sauer 2017; Pollack/Müller 2013). Auch in der lokalen Alltagspraxis wird rasch erkennbar, dass und wie muslimische Fluchtmigrant*innen mit ihren öffentlich bekundeten Glaubensbekenntnissen und religiös fundierten Lebenseinstellungen bei der Mehrheit der Ostdeutschen Irritationen auslösen und Distanznahmen befördern – etwa wenn nachdrücklich Gebetsräume in Görlitz gesucht werden, wenn das Ende des Ramadan feierlich in Familien und Gemeinschaften begangen wird oder muslimische Kleidungsvorschriften oder -kulturen bindenden Charakter besitzen und so Muslima auf den Straßen in Zittau, Rothenburg oder Görlitz leicht identifiziert werden können. Kaum weniger verstörend sind religiöse Rituale und Praktiken etwa der polnischen Mitbürger*innen römisch-katholischen Glaubens in Görlitz (Kirchgänge, Umzüge in Zgorzelec an den Wochenenden, zum Osterfest oder Dreikönigstag usw.), aber auch der durchaus präsente Verweis auf Gott und/oder kirchliche Lehrmeinungen als Grundlagen für Moralvorstellungen sowie Lebensplanungen- und entscheidungen. Oft ist beides für die Mehrheit der ,alteingesessenen‘ ostsächsischen Bürger*innen befremdend: Die starke Referenz auf eine göttliche bzw. religiöse Quelle und: der Inhalt der Vorschriften und Orientierungen – wobei sich das Befremden oft gravierender Unkenntnis oder fest verankerten Vorurteilen verdankt (siehe Brettfeld/Wetzels 2007; Hüttermann 2010; Halm/Sauer 2017).

Zweitens und zugleich formulieren wir die These, dass in den Religionen und religiösen Gemeinschaften (Gemeinden) zwar auch Integrationsprobleme (Distanz, Verweigerung, Ablehnung gegenüber anderen Religionen/Konfessionen) begründet werden (können); wir identifizieren hier aber vor allem ein wichtiges Potenzial für den interethnischen und interkulturellen Dialog sowie für lokale soziale Integrationsprozesse unter ausdrücklichem Einbezug von Migrantinnen und Migranten (ibid. sowie Gesemann/Roth 2018; Mund/Theobald 2008; Schmid 2010; Traunmüller 2008).

Der Dialog der Religionen bzw. ein religiös vermittelter Dialog der Kulturen repräsentiert also nicht nur eine hoch relevante Ressource für die soziale Integrationsentwicklung vor Ort, sondern selbst einen essenziellen Modus lokaler sozialer Integration.

Diese Ressource und diesen Modus in der Region Oberlausitz und mit einem Fokus auf den Landkreis Görlitz zu erkunden, bekannt zu machen, zu entwickeln und zu nutzen, ist die Grundidee des vorliegenden Antrages. Religionen und Konfessionen sollen auf dialogische Weise in die nachhaltige Entwicklung der lokalen Sozialintegration eingebracht werden und in der politischen wie zivilgesellschaftlichen Gestaltung von Integrationsprozessen eine systematische Rolle spielen.

Nach bisherigen Erkenntnissen finden derartige Dialoge zwischen religiösen Gemeinschaften Einheimischer und von religiös gebundenen Migrant*innen sowie zwischen diesen und Atheisten (bzw. kirchlich ungebundenen Gläubigen unterschiedlicher Couleur) in Ostsachsen bis heute bestenfalls punktuell und unregelmäßig statt. Hervorzuheben sind dabei christlich-ökumenische Anstrengungen sowie Initiativen evangelischer Gemeinden, die sich um Migrantenfamilien und –gruppen kümmern – auch unter explizitem Bezug auf deren Glaubenspraktiken. Darüber hinaus ist auf die gegenwärtigen Bemühungen des Landkreises in der Entwicklung eines Integrationskonzeptes hinzuweisen. Der religiöse Aspekt wird in vorliegenden Entwürfen thematisiert, aber unserer Beurteilung nach bisher unterschätzt. Auch diesbezüglich gibt es also einen Bedarf der Analyse wie Praxisgestaltung.

Handlungsziele

Angesichts der vorliegenden Befunde und skizzierten Bedarfe in der Region (Oberlausitz/LK Görlitz) verfolgt das Projekt folgende übergreifende Zielstellungen:

  • Vermittlung von Kenntnissen über Religionen/religiös geprägte Kulturen an Einheimische und Migrant*innen (unterschiedlicher Herkunft/religiöser Zugehörigkeit) in der Region und damit Zugang zu und Verstehen von religiösen Kulturen (deren Werten, Normen, Handlungsorientierungen und deren Bindungskräften)
  • Vermittlung eines toleranz- und integrationsgeprägten respektvollen Umgangs mit den vielfältigen religiösen Überzeugungen, Glaubens- und Wertegemeinschaften
  • Schaffung von Voraussetzungen für eine gelingende soziale Integration von Einheimischen und Migrant*innen durch (inter-)religiöse Kommunikations-, Bildungs- und Erfahrungsprozesse (unter Einschluss kritischer und konfliktuöser Auseinandersetzungen)
  • Ermöglichung wechselseitigen Lernens und Realisierung bildungsgestützter lokaler Sozialintegration von Atheisten und Gläubigen heterogener Religionen/Konfessionen durch Planung und Umsetzung von ersten dialogischen Bildungsprojekten (Pilotprojekt)

Weitere Daten

  • Ansprechpartner

    • Herr Prof. Raj Kollmorgen (Projektleitung)
    • Frau Alina-Sinziana Schönfelder
    • Frau Maria Schubert
  • Fördermittelgeber

    • 100340752 - SMS/SAB + Landkreis

  • Finanzierung

    • 23.505,30 €

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